Bezahlbares Wohnen durch kostengünstigen Wohnungsbau
In diesem Jahr zeigen wir „normale“ Bauprojekte zu überraschend moderaten Kosten und werden der Frage nachgehen, was das Bauen denn überhaupt kosten muss und soll. Neben einigen realisierten Projekten werden wir uns mit Ideen und unrealisierten Entwürfen beschäftigen und unseren Blick schweifen lassen um zu schauen, wie es in anderen Weltregionen gelingt, zu wohnen und zu überleben – unter Bedingungen, die meist viel prekärer sind als wir es uns vorstellen können.
Das bereits Ende 2017 gezeigte Beispiel „Grundbau und Siedler“ bildet die Klammer vom Experiment einer Einbindung der Bewohner, denen die Möglichkeit der Kostenreduktion durch Selbsthilfe gegeben wird, hin zum kostengünstigen „konventionellen” Wohnungsbau.
Bei diesem Experiment des Selbstbaus, „Grundbau und Siedler“ (Hamburg, 2013) von BeL Sozietät für Architektur aus Köln, wird es den Nutzern ermöglicht, das Gebäude schrittweise, je nach Lebenslage und Bedürfnissen, auszubauen. Durch die Anwendung des Prinzips des Selbstbaus lassen sich in Verbindung mit fachmännischer Anleitung erhebliche Kosten einsparen, die das Gebäude zu einem Smart Price Gebäude werden lassen.
Dabei wird „Grundbau und Siedler“ in zwei Abschnitten realisiert. Im ersten wird der Grundbau hergestellt: Tragende Elemente (Decken, Stützen), die übergeordneten technischen Installationen (Hausanschlüsse, vertikale Ver- und Entsorgungsschächte), Treppenhaus und Aufzug sowie die Abstell- und Arbeitsräume im Erdgeschoss. In einem weiteren, zeitlich nicht festgelegten Abschnitt können die Siedler den Innenausbau ihrer Wohneinheit selbst durchführen. Dabei bietet der Grundbau kaum Beschränkungen für den Siedler, so dass dieser den Grundriss nach eigenen Anforderungen in größter Flexibilität durchführen kann. Durch die Umsetzung in Selbstbauweise lassen sich nach BeL Sozietät für Architektur bis zu einem Viertel der Baukosten einsparen.
Gezeigt wird eine Reihe von Grundrissen. Nicht nur historische Entwicklungen der Wohnungszuschnitte und -größen, sondern vor allem verschiedene Möglichkeiten werden aufgezeigt und so in die etwas abstrakte Welt der Grundrisszeichnungen eingeführt. Es steht ein Handapparat bereit, der einen Schwerpunkt auf Grundrisse legt, um einen Anfang zu setzen, sich mit der Frage zu beschäftigen: „Wie wollen wir wohnen?“. Hier geht es vor allem um den Platz, den wir brauchen und bezahlen können. Welche Zuschnitte wären für welche Lebensphasen wünschenswert, wie flexibel sollen sie sein? Arbeiten und Leben wächst zusammen, Lebensentwürfe verändern sich, soziale Strukturen zerfallen, Vereinsamung nimmt gerade im städtischen Raum zu. Auch hier kann Architektur zum Beispiel durch offene Strukturen und Wohnformen, durch gemeinschaftliches Handeln helfen.
Dass konventionelles Bauen für einen Preis um 1000 Euro/qm heute durchaus möglich ist, zeigt das Atelier Kempe.
Dem Architekten Kempe Thill scheint im Den Haager Stadtteil Moerwijk etwas gelungen zu sein, was in Deutschland fast undenkbar scheint: ein kostengünstiger Bau in einem Ballungsgebiet, in dem sich die Menschen wohlfühlen.
Thill entwarf einen Riegel mit eingeschossigen 95-Quadratmeter-Wohnungen hinter einer modernen Aluminium-Glasfassade. Um die Struktur aufzulockern und auch unterschiedliche Mieter anzuziehen, kamen einige dreigeschossige Maisonettewohnungen hinzu, mit offener Küche, Wohnbereich und drei Schlafzimmern. Alles beruht auf der Grundlage eines einheitlichen Wohnmoduls von 7,20 Meter Breite.
Alle 88 Apartments haben Fußbodenheizung und werden mit Wärmerückgewinnung be- und entlüftet. Das Gebäude entspricht dem Niedrigenergiestandard. Es wird mit Geothermie beheizt und hat einen Wärmespeicher im Boden. Man hat also stärker auf die Energieerzeugung und -speicherung gesetzt und weniger auf eine dicke Dämmschicht.
Da alles dem gleichen Standard entspricht – selbst die Position der Waschbecken ist in jeder Wohnung gleich – konnten die Baukosten auf einen beeindruckenden Wert gesenkt werden: 1100 Euro pro Quadratmeter wurden ausgegeben.
Die generelle Frage nach Abriss und Neubau oder “Modernisierung” wird am Beispiel des “Tour Bois le Prêtre” behandelt. Das markante Pariser Hochhaus aus dem Jahr 1959, ein Vorzeigeprojekt der Moderne von Raymond Lopez, stand Ende der 1990er Jahre vor dem Abriss. Die Architekten Druot, Lacaton & Vassal machten den Vorschlag den Bau zu Sanieren und zu Erweitern was Dank der Skelettbauweise einfach möglich war. Zwei wesentliche Anschauungen
sind für Druot, Lacaton & Vassal maßgäblich: Einerseits sollen die ärmeren der Gesellschaft nicht gezwungen sein auf immer engerem Raum zu überleben, sondern auch für sie großzügige Wohnmöglichkeiten geschaffen werden. Und nicht zuletzt ein ökologisches/ökonomisches Argument: “Für das Geld das man benötigt, um eine bestehende Wohnung abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, kann man drei bis vier bestehende Wohnungen sanieren
und erweitern.”
Desweitern werden durch einige Beispiele aus den 1990er Jahren gezeigt, wie mit geringen Kosten anspruchsvolle Architektur realisiert werden kann. In einer Studie von 2007, die im Auftrag der österreichischen Magistratsverwaltung angefertigt wurde, sind eine Vielzahl an Wohnungsbauten verzeichnet, die im Vergleich zu heute zu fast unrealistisch anmutend geringen Kosten realisiert wurden.