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Thorsten Goldberg / Martin Kaltwasser

29. August - 1. November 2017





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Shelter
oder: Jeder Anfang ist ein Tisch

Martin Kaltwasser zeigt ein Originalexemplar und Fotos seiner selbstgebastelten Baubuden, die ihm als fundamental wichtigste Infrastruktur seiner Kunstprojekte im öffentlichen Raum dienen. Sie stellen eine Extremform temporärer No-Budget-Architektur dar, die höchste Funktionalität, geringsten baulichen Aufwand und höchste Wiederverwendbarkeit vereinen und als Werkbank, Lagerraum, Regenschutz, Pausenraum, Garderobe, Bauleitungsbüro,  Informationspavillon, Treffpunkt und Besprechungsraum etc. dienen. Sie sind minutenschnell ohne jegliche Vorplanung mit dem gerade zur Verfügung stehenden Material gebaut und lassen sich sekundenschnell an- und umbauen. Diese Baubuden sind Zentrum und Heimat. Einen ebensolchen Ort bilden die To-Do-Listen, die täglich neu verfasst werden. Sie sind inmitten von prekärem Leben, stets beruflich benötigter Extremflexibilität, kreativem Schaffen, Ideenflut und Privatleben eine zweite Heimat.

Träume von Räumen

Der Fußboden in Lichtenberg“ ist eine genaue textliche Beschreibung des Fußboden-Fliesenmusters im Bad einer Wohnung in Lichtenberg, in der Thorsten Goldberg einige Tage gewohnt hat.
Zimmerreisen dienen der Erkundung und Affirmation von Ordnungen. Wie alle Reisen von Gullivers bis Jules Vernes mathematisch genauer Umrundung der Erde sind sie Erkundungen von Ordnungen und dienen letztlich ihrer Stabilisierung. Die akribische Bestandsaufnahme lässt keine Fliese und keine Ecke aus – der Leser folgt der Beschreibung, als würde er selber im Bad auf und ab gehend, die Fliesen Zeile für Zeile lesen. Die Darstellung des Textes an der Wand, macht es notwendig, beim Lesen ebenso auf und ab zu gehen und den Text Zeile für Zeile zu lesen.

Das Hörstück „As the Crow flies“, das über Kopfhörer zu hören ist, erzählt in ähnlich zurückhaltender Art, wie eine Anleitung von einer ebenso linearen Reise durch einen ganz anderen Raum:

Es ist eine Reisebeschreibung möglichst genau entlang des 54. Breitengrades 4 Minuten.

Sie beginnt mit: „View over the beach and bay – turn around and Head northwest …“  an der Ostseeküste in Schleswig-Holstein und endet nach fast 10.000 km an der kanadischen Pazifikküste mit: „Turn left and follow 14.4 km Unknown road along the north beach of Charlotte Island: Agate Beach, Yakoun Point. Continue to Tow Hill: oceanview north over Rose Spit.“

In beiden Geschichten wird Raum durch das Aneinanderreihen von Punkten beschrieben. Wie eine Anleitung zum Nachmachen werden die Punkte detailliert beschrieben aber durch keine Bilder belegt, außer denen, die im Kopf des Lesers oder Hörers entstehen.

Die fotografierten Hotelbetten und Matratzen und Sofas bei Freunden und Bekannten sind – obwohl eigentlich Orte zum Ausruhen und Träumen, an denen die Reise zum Stillstand kommt – Teil einer eigenen langen Reise. Hotelzimmer wollen so etwas wie ein provisorisches Zuhause auf Reisen bieten. Stereotype Gemütlichkeit hier, ein schnell bezogenes Sofa dort – sie sind über Jahre, in denen Hotel- und Gästezimmer zumindest zeitlich mehr Zuhause als die eigene Wohnung war, gesammelt.

Fotos: Thomas Bruns

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