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Melissa Dullius & Gustavo Jahn (Distruktur)





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1 – Muito Romântico (72min, 2016)

Abgrund – und Shangri-La – Die Stadt ist, was man aus ihr macht

Was Karl Scheffler Berlin in seinem berühmten Diktum von 1910 als tragisches Schicksal attestierte, ist den Liebhabern der Stadt von jeher eine Freude: immerfort zu werden und niemals zu sein. Dass das Werden ein Wachsen ist, dafür garantieren immer neue Zugereiste. Sie tragen nicht nur Wünsche, Erwartungen und Träume an die Stadt heran – sie bringen auch die Poesie und Romantik, auf die Berlin als großer Sehnsuchtsort unserer Tage immer wieder neu angewiesen ist.

Mit enormer Sogwirkung ziehen uns die kraftvoll-ruhigen Bilder der Schiffs-Passage aus Brasilien im Muito-Romântico-Exposé zu Melissa und Gustavo ins Boot. Das Ziel der Reise, der neue Lebens- und Arbeitsmittelpunkt, Berlin, ist dagegen Wüste. Zerfallende Altbauten, wuchernde Brachen, Hügellandschaften aus Baustellen überall – bar jeden Glanzes wie ihn etwa das Hockney-Glitzern bis zum Horizont nur Sekunden zuvor noch ausgestrahlt hatte. Herkömmliche Anmut ist eigentlich nur in den herbstlichen Volksparks.

Doch auch die Wüste ist bewohnbar. Berlin ist Abgrund – und Shangri-La. Wohin das Pendel schlägt – der Ausgang ist offen. Übernimmt trüber Alltag das Ruder – was in Berlin schnell gehen kann; nagen Eifersucht, Misstrauen und Unklarheit an den Stadtneurotikern, wie auch zwischen Melissa und Gustavo innerhalb kürzester Zeit – dann sind Herz, Mumm, Abenteuerlust, Poesie und ein Zauber gefragt, den man nur aus sich selbst ziehen kann.

Ein Entkommen ist möglich, immer konnten die Berliner neue Lebensstile und Visionen entwickeln – in den Kiezen und in Muito Romântico verwischen mit dem Personal die Jahrzehnte und Dimensionen, Utopie und Dystopie. Der ehemalige Todesstreifen. Die queere Filmemacherin Imogen Heath. Das ewige anonyme Berliner „Original“. Filmemacher Nikolaus Tscheschner – „Wir leben in Krisenzeiten und in Krisenzonen; so nah und doch so fern“ moderiert er eine Vorführung seines ’85er Films zum Thema „Der Ort, an dem ich wohne“, an.

Jede Biographie ein neuer Entwurf; jede Gruppe eine neue Generation. Kleine Fluchten in Substanzen und Affären mögen helfen, sicherlich Arbeit. Auch Melissa und Gustavo finden durchs Gestrüpp. Im großen durch ein schwarzes Loch in der Wand, durch das sie sich über die Zeit erheben. Im kleinen, indem sie Privates und Arbeit in “Muito Romântico” verweben. Beziehungen und Bekanntschaften ausleben. Musik machen. „Black Banana“ steht dabei am Ende an die Wand geschrieben, dazu eine gepellte schwarze Banane.

So pulsiert der Film unruhig, aber lebhaft auf einem hypnotisch-monotonen Beat in sein offenes Ende – und eine Sternentapete funkelt dazu. Die Band mit der Original-Banane schwingt mit – aber Melissa und Gustavo warten nicht auf den Mann an der Ecke Lexington / 125.

Sie sehen das Licht. (Christian Beck)

2 – In the traveler’s heart (19min, 2013)

3 – Don’t Look Back / Labirinto (6min, 2012)

4 – El Meraya (19min, 2018)

The images of Cairo that make up El Meraya first unfold their attraction by granting access to a foreign city. Then a construction becomes apparent, the scenes give the impression of being staged, part of the realization of a script, the people in it seem like film characters. In fact, however, they are real scenes, only their arrangement by the filmmakers gives the impression of a constructed cinematic event. At the same time, a different reality and a game between reality and fiction emerge, illustrating the power of the images.